3. Dezember | Adventskalender

Der musikalische Adventskalender

3. Dezember

Ein Räppchen zum Reiten

Gestern ging es in unserem musikalischen Adventskalender noch um ein Auto zum Fahren – nämlich um die BMW Isetta, jenes Rollermobil, das unter dem Spitznamen Adventsauto in die Geschichte eingegangen ist.

In unserem heutigen Adventstürchen geht es um die kleinen und großen Wünsche zum Weihnachtsfest, jedoch nicht um einen vierrädrigen fahrbaren Untersatz, sondern um ein vierbeiniges Wesen – um ein Pferdchen, genauer gesagt: ein Räppchen zum Reiten!

Dieses alte, fröhliche Weihnachtslied fand ich in meinem Notenarchiv – in einem antiquarischen Album, das im Musikverlag BREITKOPF & HÄRTEL unter der Editionsnummer E.B. 4440 erschienen ist. Es ist zwar eigentlich ein Kinderlied, da es sich jedoch um eine Rarität handelt, wurde es in den musikalischen Adventskalender aufgenommen.

Der Komponist heißt Carl Reinecke, mit vollständigem Namen: Carl Heinrich Carsten Reinecke. Er lebte von 1824 – 1910 und fällt stilistisch in die Epoche der deutschen Romantik. Carl Reinecke war Pianist, Komponist und Dirigent. Er leitete unter anderem das berühmte Gewandhausorchester in Leipzig.

Carl Reineckes Kompositionsstil ist eher konservativ und romantisch-klassizistisch. Seine Kompositionen sind stark an Mendelssohn und Schumann angelehnt. In seinen späteren Werken sind auch Einflüsse von Chopin und Brahms erkennbar. Doch auch die Wiener Klassiker, allen voran Mozart, blieben zeitlebens seine Vorbilder.

Das Weihnachtslied Ein Räppchen zum Reiten von Carl Reinecke stammt noch aus der „guten alten Zeit“, aus einer „heilen“ Welt, wie wir sie heute nicht mehr kennen. Damals gab es noch keine Handys, Fernseher und Computerspiele. Die Kinder wünschten sich vom Christkind noch Pferdchen, Püppchen, Geigen, Flöten, Glöckchen und vieles andere mehr. Das waren noch Zeiten!

Das Lied Ein Räppchen zum Reiten trägt die Opuszahl 37 und erschien ursprünglich in der Sammlung Acht Kinderlieder für eine Singstimme mit Klavierbegleitung (1. Heft) im Musikverlag Breitkopf & Härtel. 

Carl Reinecke, der musikalisch von seinem Vater Johann Reinecke ausgebildet worden war und sehr stark von der Dominanz seines Vaters beeinflusst war, liebte es, in die Welt der Kinder einzutauchen. Die Märchenwelt erschien ihm als ein Reich der Sicherheit, in das er als Kind vor dem väterlichen Zwang und auch als Erwachsener vor den alltäglichen Problemen fliehen konnte. 

Ein Räppchen zum Reiten

Ein Räppchen zum Reiten, ein Püppchen zum Kleiden,
ein Kütschlein zum Fahren, ein Büchslein zum Sparen,
zum Kochen ein Küchlein, zum Lesen ein Büchlein,
viel Steine zum Bau’n, viel Äpfel zum Kau’n
und ein Geiglein zum Greifen, ein Flötlein zum Pfeifen
und Glöcklein zum Klingen wird’s Christkindlein bringen.

LiedausschnittLiedausschnittLiedausschnittLiedausschnitt

Aus dem Notenarchiv von Sylvia Kreye (Ausschnitt)

Quelle: Weihnachts-Album für die deutsche Familie, 30 der beliebtesten Weihnachts-, Sylvester- und Neujahrslieder, hrsg. von F. H. Schneider, für Gesang und Klavier oder Klavier allein, BREITKOPF & HÄRTEL Leipzig-Wiesbaden, E.B. 4440.

Aus Gründen des Copyrights wurde hier lediglich ein kleiner Ausschnitt (nur die Gesangsstimme) wiedergegeben. – Die vollständige Version des Liedes Ein Räppchen zum Reiten (Ausgabe für Gesang und Klavier) ist im neueren Band „Unser Kind will tanzen“ im Verlag BREITKOPF & HÄRTEL, unter der Editionsnummer EB 7324, erschienen.

Ein Pferd als Weihnachtswunsch im Lied

Als Pferdefreundin konnte ich mir diese musikalische Rarität aus dem 19. Jahrhundert einfach nicht verkneifen! Auch manch ein/e Erwachsene/r würde sich wohl noch so ein Räppchen zum Reiten wünschen! Aber auch über einen Schimmel, einen Braunen, einen Fuchs oder Falben würde man sich freuen. A propos Schimmel: Wie wär’s denn zum Beispiel mit einem barocken Lipizzaner? Oder schlägt das Herz des Pferdfreundes / der Pferdefreundin wohl eher für einen temperamentvollen Araber – oder doch lieber einen gemütlichen Isländer oder Haflinger?

Doch in diesem Lied von Carl Reinecke dürfte wohl eher ein schwarzes Schaukelpferdchen gemeint sein, wie man es von historischen Bildern aus dem 19. Jahrhundert kennt. – Wie auch immer: Im Herzen sind wir wohl alle noch ein wenig Kinder geblieben, besonders zu Weihnachten! 

Beim Thema Pferd und Ein Räppchen zum Reiten wird man unwillkürlich auch noch an ein anderes Lied erinnert, das häufig zu Weihnachten gesungen wird. Es wurde von vielen Sängern interpretiert und schließlich als Schlager – insbesondere in der Interpretation von Heintje – weltbekannt: Mamatschi, schenk‘ mir ein Pferdchen von Oskar Schima. 

Oskar Schima (4. Juni 1894 in Wien, † 14. Oktober 1966 in Wien) war ein österreichischer Komponist, Musikalienhändler und Musikverleger. Er war auch einer der Gründungsmitglieder der Vereinigung Das Wiener Lied. 

Oskar Schima komponierte vor allem Wiener Lieder, seine populärste Komposition jedoch wurde sein Schlager Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen. 

Wegen des traurigen Textes von F. X. Kappus könnte man es meines Erachtens eher als Lied im Volkston denn als Schlager bezeichnen. Hier ist nun der Text von Mamatschi:

Mamatschi, schenk‘ mir ein Pferdchen

Es war einmal ein kleines Bübchen,
das bettelte so wundersüß:
„Mamatschi, schenke mir ein Pferdchen! –
Ein Pferdchen wär‘ mein Paradies.“
Darauf bekam der kleine Mann
ein Schimmel-Paar aus Marzipan.
Die sieht er an. Er weint und spricht:
„Solche Pferde wollt‘ ich nicht.“

„Mamatschi, schenk‘ mir ein Pferdchen!
Ein Pferdchen wär‘ mein Paradies.
Mamatschi, solche Pferde wollt‘ ich nicht.“

Die Zeit verging. Der Knabe wünschte
vom Weihnachtsmann nichts als ein Pferd.
Da kam das Christkindlein geflogen
und schenkte ihm was er begehrt.
Auf einem Tische stehen stolz
vier Pferde aus lackiertem Holz.
Die sieht er an. Er weint und spricht:
„Solche Pferde wollt‘ ich nicht.“

„Mamatschi, schenk‘ mir ein Pferdchen!
Ein Pferdchen wär‘ mein Paradies.
Mamatschi, solche Pferde wollt‘ ich nicht.“

Und es vergingen viele Jahre
und aus dem Knaben ward ein Mann.
Dann eines Tages vor dem Tore,
da hielt ein herrliches Gespann.
Vor einer Prunk-Kalesche standen
vier Pferde, reich geschmückt und schön.
Die holten ihm sein liebes Mütterlein.
Da fiel ihm seine Jugend ein.

„Mamatschi, schenk‘ mir ein Pferdchen!
Ein Pferdchen wär‘ mein Paradies.
Mamatschi, Trauerpferde wollt‘ ich nicht.“

Von diesem Lied gibt es ein schönes Video auf YouTube, das im Dezember 2017 zum 50-jährigen Bühnenjubiläum von Hein Simons (besser bekannt als Heintje) bei TELAMO erschienen ist. Das Besondere an dieser Aufnahme: Der erwachsene Hein Simons singt hier im Duett mit seinem jüngeren Ich.

Quelle: YouTube, Schlager für Alle/TELAMO GmbH, München 

 Morgen geht’s weiter – und das wird recht heiter!

Quellen 

Weihnachts-Album für die deutsche Familie, 30 der beliebtesten Weihnachts-, Sylvester- und Neujahrslieder, hrsg. von F. H. Schneider, für Gesang und Klavier oder Klavier allein, BREITKOPF & HÄRTEL Leipzig-Wiesbaden, E.B. 4440.

Oskar Schima: Mamatschi, schenk mir ein Pferdchen (Text: F. X. Kappus), © 1938 by Ludwig Krenn Musikverlag, MELODIE DER WELT GmbH & Co. KG, Frankfurt/Main, Bestell-Nr.: 1551/01/10

https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Reinecke

http://www.carl-reinecke.de/Vita/biographiei-1.html

http://www.carl-reinecke.de/opus/opus31-40.html

https://www.musiklexikon.ac.at/ml/musik_S/Schima_Oskar.xml

https://musik-austria.at/mensch/oskar-schima/