Abschiedsgala JOSÉ CARRERAS in der Wiener Staatsoper

Abschiedsgala JOSÉ CARRERAS

Wiener Staatsoper, 14. September 2021

KS José Carreras verabschiedet sich vom Wiener Publikum

Mit einer Abschiedsgala, einem feinen Liederabend in der Wiener Staatsoper, verabschiedete sich KS José Carreras von seinem Wiener Publikum. Seine Gage spendete der Tenor CAPE 10, einer gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in Wien. Mit von der Partie waren die bekannte lettische Mezzosopranistin Elīna Garanča sowie zwei junge Mitglieder des Opernstudios der Wiener Staatsoper: die Sopranistin Johanna Wallroth und der Bariton Michael Arivony. Begleitet wurden die Sänger von Lorenzo Bavaj am Flügel sowie vom Kallisto-Quartett. Einer der ganz Großen der Oper sagte „Danke und Adieu“. Es war ein bewegender, emotionaler Abend.

José Carreras & die Wiener Staatsoper – eine besondere Beziehung

An der Wiener Staatsoper ist José Carreras mehr als 140 Male in den bedeutendsten Opernpartien der Musikgeschichte aufgetreten. Mehr als 20 Jahre lang hat er das „Haus am Ring“, wie die Wiener Staatsoper auch genannt wird, geprägt. Mit seinen Interpretationen des lyrisch-dramatischen Fachs hat der ausdrucksstarke Tenor Maßstäbe gesetzt. José Carreras war und ist ein tenore lirico-spinto, wie dieses Stimmfach auf Italienisch genannt wird. Es ist die korrekte Bezeichnung für das lyrisch-dramatische Zwischenfach, für jenen Stimmtypus, der auf Deutsch (nicht ganz passend) als jugendlicher Heldentenor bezeichnet wird. Dementsprechend (und ebenso unpassend) spricht man im Sopranfach vom jugendlich-dramatischen Sopran.

Man bedenke: Jene Sänger*innen, welche das lyrisch-dramatische Zwischenfach überzeugend gestalten können, sind im Allgemeinen nicht mehr „jugendlich“, sondern haben in der Regel bereits ein Alter erreicht, in dem die Stimme die nötige Reife und auch jenes dunklere Timbre aufweist, welches für die lyrisch-dramatischen Rollen charakteristisch und auch erforderlich ist, um diese schwereren Partien stimmlich überhaupt durchhalten zu können. Eine wirklich „jugendliche“ Stimme dürfte da wohl sehr schnell an Grenzen stoßen. Dies nur zur Erläuterung, warum ich die Begriffe jugendlicher Heldentenor oder jugendlich-dramatischer Sopran generell unpassend finde und die Bezeichnung lyrisch-dramatisch als Übersetzung des italienischen Begriffs lirico-spinto bevorzuge. Soweit zum Thema Stimmfach.

José Carreras hat in seiner langen Karriere alle bedeutenden Opernpartien des italienischen und französischen lyrisch-dramatischen Fachs gesungen. Alle davon aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Doch jene Partien, mit denen Carreras an der Wiener Staatsoper brillierte, sollen an dieser Stelle genannt werden.

Rollendebüts an der Wiener Staatsoper (chronologisch):

Komponist  Oper  Rolle  Debüt
Giuseppe Verdi Rigoletto Herzog von Mantua 1974
Giacomo Puccini Tosca Cavaradossi 1977
Giacomo Puccini La Bohème Rodolfo 1977
Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor Edgardo 1978
Giuseppe Verdi Don Carlo Don Carlo 1979
Giuseppe Verdi Un ballo in maschera Gustav III. 1980
Giuseppe Verdi La forza del destino Alvaro 1980
Giuseppe Verdi La Traviata Alfredo Germont 1980
Jacques Fr. Halévy La Juive Éléazar 1981
Gaetano Donizetti L’elisir d’amore Nemorino 1982
Umberto Giordano Andrea Chénier Andrea Chénier 1982
Giuseppe Verdi Luisa Miller Rodolfo 1983
Giacomo Puccini Turandot Kalaf 1983
Giuseppe Verdi Simone Boccanegra Gabriele Adorno 1984
Georges Bizet Carmen Don José 1984
Jules Massenet Werther Werther 1986
Ruggero Leoncavallo Pagliacci Canio 1991
Camille Saint-Saëns Samson et Dalila Samson 1994
Umberto Giordano Fedora Loris Ipanov 1994
Jules Massenet Hérodiade Jean 1995
Giuseppe Verdi Jérusalem Gaston 1995
Giuseppe Verdi Stiffelio Stiffelio 1996
Ermanno Wolf-Ferrari Sly (nur 3. Akt) Sly 2004

Sein Operndebüt an der Wiener Staatsoper gab José Carreras am 28. Januar 1974 als Herzog von Mantua in der Oper „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi. Aufgrund einer Indisposition verlief dieses Wiener Debüt für den jungen Tenor leider nicht zu seiner Zufriedenheit. Doch dafür hatte das fachkundige, musikbegeisterte Wiener Opernpublikum Verständnis. Dank seiner ausdrucksvollen, mit viel Leidenschaft und Seele geführten Stimme eroberte sich Carreras auf Anhieb die Herzen der Wiener Opernfans. Es entwickelte sich eine einzigartige Beziehung zwischen Künstler und Publikum, welche bis heute ungebrochen ist und ihresgleichen sucht.

1984 wurde José Carreras der Titel „Kammersänger“ verliehen. 1988 wurde der Tenor zum Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper ernannt.

Comeback an der Wiener Staatsoper

Sein Comeback-Konzert in der Wiener Staatsoper am 16. September 1988 ist längst in die Geschichte eingegangen. Unvergessen bleibt der anspruchsvolle Liederabend, mit dem sich José Carreras nach seiner schweren überwundenen Leukämie-Erkrankung an der Wiener Staatsoper zurückmeldete. Der Applaus des Wiener Publikums wollte damals nicht enden. Für alle, die diesem legendären Comeback-Konzert nicht beiwohnen konnten (einschließlich meiner Person) gibt es zum Trost ein eindrucksvolles Video auf YouTube:

Bei seinem Opern-Comeback als Don José in Bizets Oper Carmen im Januar 1990 sollte diese Begeisterung noch übertroffen werden. Künstler und Publikum waren damals gleichermaßen berührt von der Rückkehr des Tenors auf die Opernbühne, welche nach allem, was er hinter sich hatte, an ein Wunder grenzte. Der frenetische Applaus des Publikums war überwältigend. Als unvergessliche Sternstunde ging dieses Ereignis in die Geschichte der Wiener Staatsoper ein.

Im Januar 1990 wurde José Carreras das Goldene Ehrenzeichen der Stadt Wien verliehen. 1999 wurde er mit dem Goldenen Ehrenzeichen der Republik Österreich ausgezeichnet. 2013 folgte dann noch der Ehrenring der Wiener Staatsoper.

Auch nach überstandener Krankheit erfreute Carreras das Wiener Opernpublikum mit neuen Rollendebüts und überzeugte in den großen Partien des Spinto-Fachs: Samson et Dalila (Samson), Fedora (Loris Ipanov), Hérodiade (Jean), Jérusalem (Gaston) und Stiffelio.

Auch das 30-jährige Jubiläum von José Carreras an der Wiener Staatsoper im Februar 2004 wurde ein voller Erfolg. Nach einem Liedprogramm im ersten Teil zog der Tenor noch einmal alle Register seines musikdramatischen Schaffens: Mit dem Finale aus der Oper Sly von Ermanno Wolf-Ferrari – einer Partie, mit der er bereits 1998 in Zürich debütiert hatte, sowie dem 4. Akt aus der Oper Carmen von Georges Bizet riss er das Wiener Publikum zu Begeisterungsstürmen hin.

Am 15. September 2013 kehrte José Carreras im Rahmen einer Konzertmatinee abermals an die Wiener Staatsoper zurück. Anlass war sowohl das 25-jährige Jubiläum seines Comeback-Konzerts an der Wiener Staatsoper (16. September 1988) als auch das 25-jährige Bestehen der von ihm gegründeten Leukämie-Stiftung (Juli 1988). Mit diesem Auftritt wurde gewissermaßen auch das 40-jährige Jubiläum an der Wiener Staatsoper vorweggenommen, das der Tenor im Januar 2014 feiern konnte.

José Carreras - Wiener Staatsoper 2013
José Carreras & Dominique Meyer, Konzertmatinee in der Wiener Staatsoper, 15. September 2013 –  © Sylvia Kreye

Abschiedsgala in der Wiener Staatsoper

Die Interpreten

  • José Carreras Tenor
  • Elīna Garanča Mezzosopran
  • Johanna Wallroth Sopran
  • Michael Arivony Bariton
  • Lorenzo Bavaj Klavier

Das Kallisto-Quartett:

  • Albena Danailova Violine
  • Andreas Großbauer Violine
  • Robert Bauerstatter Viola
  • Tamás Varga Violoncello

Das Programm

Francesco Paolo Tosti L’ultima canzone José Carreras
Francesco Paolo Tosti Sogno José Carreras
Giacomo Puccini O mio babbino caro Johanna Wallroth
Giacomo Puccini Crisantemi Kallisto-Quartett
Furio Rendine Vurria José Carreras
Edvard Grieg T’estimo José Carreras
Franz Schubert Ständchen Michael Arivony
Joaquín Rodrigo En Aranjuez, con tu amor José Carreras
Josef Lanner Die Mozartisten Kallisto-Quartett
W. A. Mozart Bei Männern, welche Liebe fühlen (Zauberflöte) Johanna Wallroth & Michael Arivony
Alexandre Derevitsky Serenata sincera José Carreras
Rodolfo Falvo Dicitencello vuie José Carreras
Stanislao Gastaldon Música proibita Elīna Garanča
Erik Satie Je te veux José Carreras & Elīna Garanča
Nicola Valente Passione José Carreras
Ernesto de Curtis Non ti scordar di me José Carreras & Elīna Garanča
Salvatore Cardillo Core n’ingrato José Carreras

Auf das offizielle Programm folgten noch fünf Zugaben.

Mit einem Liederabend in der Staatsoper verabschiedete sich KS José Carreras vom Wiener Publikum. – © fotografiefetz. Mit freundlicher Genehmigung von CAPE 10.

Con anima e passione – Mit Seele und Leidenschaft

Zur Einführung der Abschiedsgala hielt Operndirektor Bogdan Roščić eine Laudatio über das Wirken von José Carreras an der Wiener Staatsoper. Dazu wurden einige der intensivsten Opernauftritte des Tenors an der Wiener Staatsoper eingespielt: Carmen (1990, Dirigent: Claudio Abbado), La Bohème (1977, Dirigent: Herbert von Karajan), das Comeback an der Wiener Staatsoper nach überstandener Leukämie-Erkrankung (1988) und Turandot (1983, Dirigent: Lorin Maazel).

Bei seiner Abschiedsgala in der Wiener Staatsoper zog José Carreras noch einmal alle Register seines sängerischen Könnens. Und dies tat er wie immer con anima e passione: Mit viel Leidenschaft und aus tiefster Seele brachte er italienische und neapolitanische Kanzonen von Francesco Paolo Tosti, Furio Rendine, Rodolfo Falvo und Nicola Valente zu Gehör. Wie schon bei seinem Comeback-Konzert im September 1988, durfte „T’estimo“, die katalanische Version des Liedes „Ich liebe dich“ von Edvard Grieg, auch an diesem Abend nicht fehlen. Dieses Lied liegt ihm ganz besonders am Herzen, was an seinem ausdrucksvollen Gesang deutlich zu spüren ist. Es ist eine musikalische Liebeserklärung an sein Wiener Publikum.

Berührend auch die Duette, die der Tenor gemeinsam mit Elīna Garanča vortrug: „Je te veux“ von Eric Satie und „Non ti scordar di me“ von Ernesto de Curtis.

Abschiedsgala José Carreras
Elīna Garanča und José Carreras, am Flügel (links): Lorenzo Bavaj. – © fotografiefetz. Mit freundlicher Genehmigung von CAPE 10.

Die Kanzone „Música proibita“ von Stanislao Gastaldon wurde diesmal nicht von José Carreras, sondern von Elīna Garanča vorgetragen. Die aus Lettland stammende Mezzosopranistin, elegant gekleidet in einer roten Robe im Carmen-Stil, ließ ihr schönes Timbre üppig verströmen. Im Mezzo-Fach gehört sie derzeit zu den führenden Interpretinnen. Ihre Registerwechsel sind geschmeidig und ausgeglichen, was auf eine gute Gesangstechnik hinweist. Registerbrüche, wie man sie gelegentlich bei anderen Mezzosopranen hört, scheinen für sie kein Thema zu sein.

Zwei Mitglieder des Opernstudios der Wiener Staatsoper, Johanna Wallroth (Sopran) und Michael Arivony (Bariton), nutzten die Gunst der Stunde und ergänzten das Programm mit ihren stimmlichen Darbietungen. Johanna Wallroth überzeugte mit der Arie „O mio babbino caro“ aus der Oper Gianni Schicchi von Giacomo Puccini, ebenso Michael Arivony mit dem Ständchen von Franz Schubert. Zusammen erfreuten die beiden Interpreten das Publikum mit dem Duett „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ aus der „Zauberflöte“ von Wolfgang Amadeus Mozart.

Unterstützt wurden die Sänger von Lorenzo Bavaj am Flügel, der sich bereits in zahlreichen Konzerten über Jahrzehnte hinweg als musikalisch einfühlsamer, stets zuverlässiger Begleiter von José Carreras bewährt hat. Der Tenor und der Pianist sind ein perfekt eingespieltes, unzertrennliches Team.

Die Musiker des Kallisto-Quartetts, allesamt Mitglieder des Wiener Staatsopernorchesters bzw. der Wiener Philharmoniker, sorgten nicht nur für die musikalische Begleitung einiger Gesangsnummern, sondern brillierten auch in den Instrumentalwerken. In „Crisantemi“ von Puccini sowie „Die Mozartisten“ von Josef Lanner überzeugten sie durch Präzision und Virtuosität.

Emotionaler Abschied

Bei der Abschiedsgala von José Carreras zeigte sich einmal mehr, dass gutes Singen keine Frage des Alters, sondern das Ergebnis solider Belcanto-Technik und langjähriger Erfahrung ist. Auch mit seinen beinahe 75 Lenzen konnte sich José Carreras die Schönheit und Brillanz seiner Stimme bewahren, wenngleich diese naturgemäß auch dunkler und schwerer geworden ist.

Ich denke immer noch gern an den emotionalen Abschied von KS José Carreras in der Wiener Staatsoper zurück, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass der Tenor an diesem Abend (im Vergleich zu den letzten Auftritten) nicht ganz in Bestform war. Dass die Intonation stellenweise eine kleine Nuance zu tief war, blieb dem geschulten Ohr wohl nicht verborgen, jedoch war dies vermutlich auf eine leichte Indisposition zurückzuführen. Bekanntlich ist die Tagesform selbst bei ausgezeichneten (auch jüngeren!) Sängern keineswegs immer gleich. Dies erscheint jedoch irrelevant im Lichte der künstlerischen Ausdrucksstärke und menschlichen Ausstrahlung dieses Ausnahmekünstlers. Schließlich ging es an diesem Abend nicht um bloße musikalische Perfektion, sondern um Emotionen, Zuneigung und Ehrerbietung gegenüber einem hochverdienten Sänger, der die Wiener Staatsoper über mehrere Jahrzehnte geprägt hat.

So folgten auf das offizielle Programm noch fünf Zugaben, in deren Verlauf Carreras immer mehr auftaute. Nun erstrahlte sein Spinto-Tenor kraftvoll und leidenschaftlich wie immer. Das war der José Carreras, wie wir ihn alle kennen! Spätestens beim berühmten „Granada“ von Augustín Lara gab es kein Halten mehr! Das Wiener Publikum bedankte sich bei Carreras und allen Mitwirkenden mit standing ovations und langanhaltendem Applaus.

José Carreras - Abschiedsgala
Viel Applaus gab’s für die Mitwirkenden der Abschiedsgala von José Carreras an der Wiener Staatsoper – © Sylvia Kreye

Es war ein berührender Abschied, der auch mich als Carreras-Fan und Opernfreundin ein wenig melancholisch stimmt. Mit Wehmut und Dankbarkeit denke ich an die wunderbaren Abende voller Intensität zurück, die ich mit José Carreras in der Wiener Staatsoper erleben durfte. Als Opernbesucherin werde ich diese schöne, einmalige Tenorstimme sehr vermissen. Aber als Sängerin werde ich ihn wohl noch mehr vermissen, denn José Carreras war es auch, der einst meine Begeisterung für die Oper geweckt und mich musikalisch immer wieder neu inspiriert hat.

Aber der Abschied von der Wiener Staatsoper bedeutet ja noch nicht den endgültigen Abschied von der Bühne. An anderen Orten wird José Carreras ja auch in Zukunft noch auftreten. Darüber hinaus präsentiert er alljährlich im Dezember die große JOSÉ CARRERAS GALA zur Unterstützung seiner Leukämie-Stiftung, die live aus Leipzig im deutschen Fernsehen übertragen wird. – Und zum Glück sind da ja auch noch die zahlreichen Tonaufnahmen, die man sich immer wieder anhören kann.

Abschiedsgala José Carreras
Adéu i gràcies, Josep! (katalanisch für „Adieu und Danke, Josef!“) – © Sylvia Kreye

Der hohe Stellenwert, den die Wiener Staatsoper in der Öffentlichkeit und im Alltag der Wiener einnimmt, manifestiert sich auch an den Lichtinstallationen, die bei wichtigen Anlässen an der Frontseite des Hauses am Ring zu sehen sind. So wurde auch KS José Carreras mit einer originellen, wechselnden Lichtinstallation geehrt: ADIÓS JOSÉ!

Abschiedsgala José Carreras

José Carreras - Abschiedsgala
ADIÓS JOSÉ – Wiener Staatsoper, Frontansicht mit Lichtinstallation zum Abschied von José Carreras – © Sylvia Kreye

José Carreras Leukämie-Stiftung & CAPE 10

Man kann nicht von José Carreras sprechen oder schreiben, ohne den karitativen Aspekt hervorzuheben. Mit unermüdlichem Engagement widmet sich der Sänger seit mehr als drei Jahrzehnten der Arbeit für seine Leukämie-Stiftung. Aus Dankbarkeit für seine Heilung gründete José Carreras im Juli 1988 in Barcelona die José Carreras International Leukaemia Foundation (Fundación internacional Josep Carreras para la lucha contra la leucemia).

Wenige Jahre später wurden auch Stiftungen mit demselben Ziel in den USA und der Schweiz gegründet. 1995 gründete José Carreras die Deutsche José Carreras Leukämie-Stiftung mit Sitz in München. Dabei spielten die Großzügigkeit und das persönliche Engagement des Unternehmens Chopard und der Familie Scheufele eine große Rolle.

Bis heute hat die José Carreras Leukaemia Foundation rund 300 Millionen Euro an Spenden gesammelt. Mit Hilfe der Carreras Leukämie-Stiftungen konnten insgesamt über 1.500 Forschungsprojekte gefördert werden. Dazu gehören sowohl der Bau und die medizinische Ausrüstung von Knochenmarktransplantationseinheiten und Forschungseinrichtungen als auch diverse soziale Angebote für einkommensschwache Patienten und ihre Familien.

José Carreras hat sich Zeit seines Lebens für karitative Zwecke eingesetzt. Seine Gage für die Abschiedsgala in der Wiener Staatsoper spendete er CAPE 10, einer gemeinnützigen Stiftung mit dem Ziel, unverschuldet in Not geratene und hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen und zu fördern.

Die Stiftung CAPE 10 betreibt zurzeit drei Projekte:

  • MAX & LARA, ein Projekt zur Förderung der sozialen Integration von Kindern und Jugendlichen armutsbetroffener Familien
  • NEIN ZU KRANK UND ARM, ein Soforthilfeprojekt für kranke und arme Menschen zur Unterstützung und Finanzierung notwendiger Therapien
  • CAPE 10 – HAUS DER ZUKUNFT UND SOZIALEN INNOVATION, jener Ort, der alle Stiftungsprojekte unter einem Dach vereint. Es ist ein Zentrum für sozial und gesundheitlich benachteiligte Personen mit Sitz im 10. Wiener Gemeindebezirk, im neuen Sonnwendviertel am Wiener Hauptbahnhof.

Quellen

  • Programmheft: Abschiedsgala José Carreras, Wiener Staatsoper, 14. September 2021
  • Programmheft: Konzertmatinee José Carreras, Wiener Staatsoper, 15. September 2013
  • Programmheft: José Carreras, 30 Jahre Wiener Staatsoper, 27. Februar 2004
  • José Carreras: Singen mit der Seele, Kindler-Verlag GmbH, München 1989

Web-Links

  • Erlebnis BÜHNE, ORF III – Hommage an José Carreras, Ein Weltstar nimmt Abschied von Wien. Operndirektor Bogdan Roščić über das Wirken von José Carreras an der Wiener Staatsoper:

https://www.youtube.com/watch?v=nBSHlC7Jb68

  • Erlebnis BÜHNE, ORF III – Abschiedsgala José Carreras aus der Wiener Staatsoper, 14. September 2021:

https://www.youtube.com/watch?v=LaBAZ5YE8I8

  • Sylvia Kreye: José Carreras, 60-jähriges Bühnenjubiläum, Teil 1 & 2, Lingua & Musica, 30. & 31. Januar 2018

https://linguamusica.eu/jose-carreras-60-jaehriges-buehnenjubilaeum-teil-1-1958-1987/

https://linguamusica.eu/jose-carreras-60-jaehriges-buehnenjubilaeum-teil-2-1988-2017/

  • Sylvia Kreye: Umjubelte Konzert-Matinee mit José Carreras an der Wiener Staatsoper, meinbezirk.at, 19. September 2013

https://www.meinbezirk.at/meidling/c-lokales/umjubelte-konzertmatinee-mit-jos-carreras-in-der-wiener-staatsoper_a697065

  • José Carreras. Vienna State Opera 1988. Recital

https://www.youtube.com/watch?v=cyaFRSxLKiI

  • DIE JOSÉ CARRERAS GALA 2021, JOSÉ CARRERAS LEUKÄMIE-STIFTUNG

https://www.carreras-stiftung.de/jose-carreras-gala/

  • Wikipedia: Stimmfach

https://de.wikipedia.org/wiki/Stimmfach

A Life in Music – José Carreras im Wiener Konzerthaus

A Life in Music – José Carreras im Wiener Konzerthaus

A Life in Music. Im Rahmen seiner Final World Tour trat José Carreras im Wiener Konzerthaus auf und erntete viel Applaus beim Wiener Publikum.

A Life in Music – José Carreras auf Welt-Tournee

A Life in Music ist das Motto der Final World Tour, mit der sich der katalanische Startenor José Carreras (mit bürgerlichem Namen Josep Carreras) nach und nach von seinem Publikum verabschieden möchte. Im Rahmen seiner Abschiedstournee möchte Carreras noch einmal in allen Städten dieser Welt auftreten, in denen er im Laufe seiner langen Karriere so große Erfolge feiern durfte. Wie er jedoch selbst einräumte, kann sich diese Abschiedstournee durchaus noch über etwa zwei Jahre hinziehen.

Laut Ankündigung sollte der Auftritt des Tenors im Wiener Konzerthaus nun auch der Abschied von seinem treuen Wiener Publikum sein. Doch war es tatsächlich der endgültige Abschied von Wien? Nach einem „Abschied“ im wahrsten Sinne des Wortes fühlte sich die Stimmung im Konzertsaal eigentlich nicht an. Wie auch immer – an diesem Abend im Wiener Konzerthaus lief Carreras noch einmal zu Hochform auf. Die Stimme klang ausgeruht und kraftvoll, so dass man allein von der stimmlichen Disposition her nicht auf das wahre Alter des Sängers schließen würde. Nach wie vor verfügt Carreras über eine sehr schöne Mittellage, für die ihn nicht nur seine Fans, sondern auch Fachleute immer schon bewundert haben. In der oberen Mittellage haben seine Töne immer noch Strahlkraft und Präsenz – auch wenn er in seinen Konzertprogrammen die extremen „acuti“ (jene exponierten Hochtöne, die jeder Sänger aus den italienischen Belcanto-Opern kennt und fürchtet) lieber vermeidet.

Während der Darbietungen des Tenors, der an diesem Abend von zwei Sängerinnen und einem großen Orchester begleitet wurde, wurden auf einer großen Leinwand über der Bühne die verschiedenen Stationen seiner Karriere eingeblendet. Dabei wurde auch sein 66 Bühnenwerke umfassendes Opernschaffen in wechselnden Szenenfotos gewürdigt.

Mediterrane Passion

Das Programm für sein Abschiedskonzert im Wiener Konzerthaus hatte José Carreras wie immer klug und mit viel Bedacht zusammengestellt. Dabei hatte er bewusst jene Arien und Kanzonen ausgewählt, in denen seine mediterranen Wurzeln und seine stimmlichen Möglichkeiten besonders gut zur Geltung kommen. Bereits im ersten Teil seines Programms wurde klar, dass Carreras’ wohlklingende Stimme nach wie vor über Nuancenreichtum und Ausdrucksstärke, aber auch Geschmeidigkeit und Flexibilität verfügt.

In „Canción Húngara“ aus der Zarzuela „Alma de Dios“ von José Serrano und „Eco de tu voz“ von Isaac Albéniz überzeugte Carreras mit guter Stimmpräsenz und energiegeladenem Vortrag. Die Übergänge zwischen dramatischer Diktion und zartem Piano gestaltete er mit der gewohnten Intensität und Ausdrucksstärke. Eine gute Wahl war auch die weniger bekannte Kanzone „Serenata sincera“ von Alessandro Derevitsky im zweiten Teil des Programms. Die italienische Romanze, die bereits von Carlo Bergonzi und Giuseppe di Stefano eingespielt wurde, ist auch für Carreras’ Stimme bestens geeignet. Das „Singen mit der Seele“ und mediterraner Leidenschaft ist nach wie vor das besondere Geheimnis der langen und erfolgreichen Karriere von José Carreras. Dies zeigte sich einmal mehr im Lied „T’estimo“ von Edvard Grieg (der katalanischen Version von „Ich liebe dich“).

Eine besondere Überraschung hielt José Carreras für das Wiener Publikum zum Ende des ersten Teils bereit: Nachdem der Tenor sich in den vergangenen Jahren verstärkt den dramatischeren Partien – dem sogenannten „Spinto“-Fach – gewidmet hatte, wagte er sich noch einmal an das klassische italienische Belcanto-Repertoire heran. Mit der schwierigen Arie „O come il fosco impetuoso nembo – Quell’alme pupille“ aus der Oper „La pietra del paragone“ (Der Prüfstein) von Gioacchino Rossini – im wahrsten Sinne des Wortes ein Prüfstein für jeden Tenor – demonstrierte Carreras, wie wichtig die italienische Belcanto-Technik für eine lange Karriere und die Gesunderhaltung der Stimme ist.

Angesichts der Tatsache, dass Carreras mit dieser Rossini-Arie bereits in jungen Jahren brilliert hatte, wusste man zunächst nicht, was von diesem späten „Ausflug“ ins Reich des klassischen italienischen Belcanto zu erwarten war. Doch Carreras strafte wieder mal alle Skeptiker Lügen: Seine Stimme ist auch mit 70 noch flexibel genug, um selbst diese Herausforderung zu meistern! Das Rezitativ gestaltete er mit der für ihn so charakteristischen Intensität und Leidenschaft, aber auch die schwierigen Koloraturen in der großen Arie bewältigte er mit Geschmeidigkeit und guter Atemkontrolle – was für einen Spinto-Tenor keineswegs selbstverständlich ist. Kein Wunder also, dass Carreras nach dieser Arie beim opernkundigen Wiener Publikum begeisterten Applaus erntete!

Im Terzett mit zwei Sängerinnen

Die Gesangsdarbietungen von José Carreras wurden an diesem Abend ergänzt durch Valentina Nafornita (Sopran) und Lena Belkina (Mezzosopran). Beide Sängerinnen sind dem Wiener Publikum bereits durch ihre Auftritte an der Wiener Staatsoper bekannt. Im Duett „Je te veux“ von Eric Satie harmonierte Valentina Nafornitas Sopran sehr gut mit Carreras’ Tenorstimme. Die Sopranistin überzeugte außerdem mit der lyrischen Arie „Song to the moon“ (Lied an den Mond) aus der Oper „Rusalka“ von Antonín Dvořák sowie mit der Koloraturarie „Les filles de Cadiz“ von Leo Delibes.

Mühelos und geschmeidig bewältigte die ukrainische Mezzosopranistin Lena Belkina die schwierigen Koloraturen in den beiden Arien „Naqui all’affanno – Non più mesta“ aus der Oper „La Cenerentola“ von Gioacchino Rossini und „Carceleras“ aus der Zarzuela „Las hijas del Zebedeo“ von Ruperto Chapí. Bei einer solchen Besetzung – mit Sopran und Mezzo – durfte natürlich auch die berühmte Barcarole aus „Hoffmanns Erzählungen“ von Jacques Offenbach nicht fehlen! Das beschwingte Duett der beiden Sängerinnen war eine schöne Abwechslung im Programm.

Zum krönenden Abschluss präsentierte sich José Carreras zusammen mit den beiden Sängerinnen im Terzett: In einem großen Klassik-Medley begeisterten die drei Interpreten mit berühmten Opernarien und Romanzen aus dem mediterranen Sprachraum. Nach der Arie „Vesti la giubba“ aus der Verismo-Oper „I Pagliacci“ von Ruggero Leoncavallo gab es viel Zwischenapplaus für José Carreras. Den Höhepunkt des Medleys bildete das von den drei Interpreten gemeinsam gesungene „Brindisi“, das berühmte Trinklied aus „La Traviata“ von Giuseppe Verdi.

A Life in Music - Carreras, Nafornita, Belkina
José Carreras mit Valentina Nafornita und Lena Belkina. – Foto: Sylvia Kreye (22.03.2017)

Dirigent und Orchester

Begleitet wurden Carreras und die beiden Sängerinnen vom Ambassade Orchester Wien unter der Leitung von David Giménez. Der Dirigent und das Ensemble hatten den Tenor bereits in früheren Konzerten begleitet und erwiesen sich auch an diesem Abend als kompetente, zuverlässige Partner. Ein paar leichte Divergenzen im Zusammenspiel zwischen Sänger und Orchester (so zum Beispiel am Anfang von „T’estimo“) waren vermutlich auf die akustischen Verhältnisse im Saal zurückzuführen und hatten auf den Gesamteindruck keinen wesentlichen Einfluss.

Mit der Farandole aus der Arlésienne-Suite von Georges Bizet, dem Intermezzo aus der Oper „Manon Lescaut“ von Giacomo Puccini und dem Walzer Nr. 2 aus der Jazz-Suite von Dmitri Shostakovich sorgte das Ambassade Orchester Wien unter der Leitung von David Giménez für orchestrale Höhepunkte.

Der Tenor und sein Wiener Publikum

Die große Zuneigung zwischen José Carreras und seinem Wiener Publikum war auch an diesem Abend im Konzerthaus wieder hautnah zu spüren. Die Wiener lieben „ihren“ Carreras wie kaum einen anderen Sänger und belohnten ihn wie immer mit enthusiastischem Applaus und standing ovations.

Die Veranstaltung war restlos ausverkauft. Dennoch vermisste man im Publikum einige der langjährigen und besonders treuen Carreras-Fans. Dies lag vermutlich daran, dass sich viele Fans (vor allem die älteren, von denen ein Großteil bereits in Pension ist) die hohen Eintrittspreise schlicht und einfach nicht mehr leisten können. Es ist schade, dass durch die überhöhten Kartenpreise (bis über 200 Euro!) nicht nur junge Leute, sondern teilweise auch die echten Appassionati vom Konzertbesuch abgehalten wurden. Ein zusätzliches Angebot an günstigen Sitz- oder Stehplätzen – wie etwa in der Staatsoper oder im Musikverein – hätte hier vielleicht Abhilfe schaffen können.

Ein Leben für den Gesang

Bei seinem Abschiedskonzert im Wiener Konzerthaus zog José Carreras noch einmal alle Register seiner Gesangskunst und zeigte, dass mit seiner schönen Stimme immer noch zu rechnen ist. Mit 70 Jahren noch ein solches Programm zu absolvieren und über eine derartige stimmliche Präsenz zu verfügen, ist eine beachtliche Leistung, die selbst manch einen jüngeren Sänger in den Schatten stellt! Das Wiener Publikum wusste es jedenfalls zu schätzen. José Carreras bedankte sich bei seinen Fans mit einem Extraprogramm aus vielen Zugaben, die er sich jedoch in seiner bescheidenen Art mit seinen beiden Sängerkolleginnen Valentina Nafornita und Lena Belkina teilte.

Wer José Carreras an diesem Abend im Konzerthaus erlebte, wird sich mit Recht fragen, ob dies tatsächlich der letzte Auftritt des Tenors in Wien gewesen sein soll. Denn der beliebte Sänger präsentierte sich in einer Verfassung, die den Gedanken an einen Abschied noch nicht so recht aufkommen lassen wollte. Hier gewann man einmal mehr den Eindruck, dass der leidenschaftliche Katalane Josep Carreras, der sein Leben dem Gesang verschrieben hat, es einfach noch nicht lassen kann. Das Wort „Abschied“ ist also – speziell im Falle Carreras – mit einem gewissen Vorbehalt zu benutzen!

Doch naturgemäß hat alles einmal ein Ende – das ist der Lauf der Dinge! Ein Sprichwort sagt: Wenn es am schönsten ist, sollte man aufhören. Und natürlich darf auch ein José Carreras, der für die Opernwelt so Großartiges geleistet hat, irgendwann einmal in den wohlverdienten Ruhestand gehen! – Doch was auch immer kommen mag: Der Abend im Wiener Konzerthaus war geprägt von einer besonderen Atmosphäre, von dem gewissen Etwas, wie man es nur bei ganz großen Sängern erlebt – ein Ereignis, das man nicht so schnell vergessen wird.

Die gleichnamige CD zur Abschiedstournee „A Life In Music“ mit José Carreras ist im Handel erhältlich und kann auch online bei Shop24Direct bestellt werden:

https://www.shop24direct.at/produkt/a-life-in-music-118028

                                                                                              Sylvia Kreye

Big Screen: Danke, Wien!
Großleinwand für José Carreras im Konzerthaus: Danke, Wien! – Foto: Sylvia Kreye (22.03.2017)